Ein junges Paar hat sich über die Schäferei kennengelernt und sich nun mit eigenem Betrieb in Wehldorf selbstständig gemacht. Mit ihrer Herde halten sie die Grasnarbe des Elbdeiches zwischen Cuxhaven und Otterndorf kurz.
In seinem erlernten Beruf als Bootsbauer hatte er beim Laminieren von Tenderbooten für Luxusjachten viel mit giftigen Kunststoffen zu tun. „Das war eigentlich nicht das, was ich mir unter dem Beruf vorgestellt hatte“, erzählt Clemens Pieter und erklärt damit, warum er schließlich als Quereinsteiger zur Schafzucht kam. Mit einer Reise nach Neuseeland hatte das Abenteuer angefangen. Eigentlich suchte er dort nach einer Werft für Holzbootsbau. Er landete schließlich auf einer Schaffarm und blieb dort für ein Jahr hängen.
Der Betrieb bewirtschaftete ein großes Stück Land mit mehreren tausend Muttertieren. Der gebürtige Jeveraner lernte dort nicht nur die Vorzüge der Landwirtschaft, sondern auch seine heutige Partnerin kennen. Die Engländerin Theresa Bird war nach der Ausbildung ihrem langweiligen Leben als Verkäuferin entflohen und suchte in Neuseeland nach etwas Interessanterem. Nach einigen Monaten auf der Farm bereiste das Paar das Land, bevor Clemens nach Deutschland zurückkehrte und in einer Schäferei in der Nähe von Verden an seine Erfahrungen aus Übersee anknüpfen konnte. Es gab dort genug Arbeit, sodass Theresa ebenfalls einen Job bekam. Fünf Jahre lang sammelte das Paar Erfahrungen in dem relativ kleinen Betrieb, der sich auf die Zucht der vom Aussterben bedrohten graugehörnten Heidschnucken spezialisiert hat. Eingesetzt wurden die Tiere an den Deichen der Aller und in einem Heidegebiet.
Zum 1. November vergangenen Jahres haben Clemens und Theresa nun den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt, als sie die Deichschäferei von Kay Krogmann in Wehldorf zusammen mit 620 Muttertieren übernommen haben. Eine große Aufgabe. Seitdem kümmern sich die beiden Jungfarmer fast rund um die Uhr um ihre Tiere, zum größten Teil Schwarzkopf und Bentheimer. Zum Bestand gehören auch zwei Ziegenböcke, an denen Theresa besonders hängt, weil sie sie von Hand aufgezogen hat. Viel Arbeit wartet nun auf die jungen Schafzüchter. Ihre einzigen Helfer sind die Hütehunde Rain und Sky, zwei ausgebildete Bordercollies, die sie aus Verden mitgebracht haben.
Mit Spannung blicken Theresa und Clemens auf die vor ihnen liegen den Monate Februar und März, wenn die Muttertiere lammen. Das sei die arbeitsreichste Zeit für einen Schäfer, erzählt der 28-Jährige. „Dann werden wir fast ununterbrochen bei den Tieren sein und wenn nötig Geburtshilfe leisten“, blickt Clemens nach vorn. Schon nach ein paar Tagen kommen die Lämmer auf die Weide, dann noch in kleinen Gruppen zusammen mit ihren Müttern. In dieser Zeit dürften die „Familienverbände“ nicht auseinandergerissen werden, was leider immer wieder durch Störungen durch Hunde und Touristen geschehe. Dann bekämen die Lämmer nicht genug Milch.
Trotzdem sehe er der Zeit entspannt entgegen, weil die Tiere in bestimmten Deichabschnitten, zum Beispiel zwischen Siemens und dem Altenbrucher Hafen, so gut wie ungestört gehalten werden könnten. Bis zum Zeltlager bei Müggendorf reichen die sieben Deichkilometer, die ihre Herde in den Sommermonaten unter die Hufe nimmt. Wenn die abgegrast sind, werden Teile der Herde im Stall gefüttert und andere Teile im Anhänger auf Winterweiden bei Neuenkirchen transportiert. Die vom Hadler Deichverband gepachtete Halle bietet Platz für 800 Schafe, eine Größenordnung, die das Paar auch anpeilt. Die Haupteinnahmen würden im Spätsommer erzielt, wenn die Lämmer an den Schlachter verkauft werden.
Selbstvermarktung sei auch ein Thema, allerdings erst später, wenn der Betrieb eingespielt ist. Wie viel Arbeit tatsächlich auf sie zukommt, können die Gründer ohnehin erst nach einer kompletten Saison beurteilen. „Dann sehen wir, ob wir einen Shop noch schaffen können, in dem es vielleicht auch Schaffelle und Souvenirs für die Touristen gibt“, meint der junge Schäfer. Seine freundliche Partnerin nickt dazu. Die Engländerin hat alles verstanden, hat sich aber vorgenommen, nach der Arbeit an ihren Deutschkenntnissen zu feilen.
Erschienen am 05. Januar 2022 in der Cuxhavener Nachrichten.
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