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Deutsche Landwirtschaft

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Verbraucher müssen wieder heiß auf deutsche Lebensmittel sein

Sie haben schon etwas erreicht. Politik und Verbraucher haben die Landwirte auf dem Schirm. Die Treckerdemos haben Wirkung gezeigt. Alle wissen jetzt, dass die Lebensmittelversorgung nicht vom Himmel fällt, dass aber die derzeitigen Preise viele Landwirte über kurz oder lang in den Ruin treiben. Wie bisher kann es jedenfalls nicht weitergehen. Das ist Nachricht und zugleich Hilferuf der Landwirte. Auf der Suche nach einem neuen Weg sind viele Optionen im Spiel. Über die Situation und mögliche Lösungsansätze sprach CNV-Redakteur Thomas Sassen mit zwei Altenbrucher Landwirten, die sich zusammen mit vielen Kollegen in der Aktion „Land schafft Verbindung“ engagieren, Gerriet Gerdts und Thies von Horsten.

Herr Gerdts, Herr von Horsten, warum engagieren Sie sich in der Aktion „Land schafft Verbindung“. Was treibt sie zu den Demos und welche Ziele verfolgen Sie damit?

Von Horsten: Wir leben und arbeiten in der freien Marktwirtschaft. Das heißt, wir müssen uns mit der Welt messen, haben aber in Deutschland ganz andere Auflagen, als die Landwirtschaft im Ausland. Das ist das Grundproblem.
Gerdts: Wir sind gerne bereit, diese Auflagen zu erfüllen, dann müssen wir aber auch die Möglichkeit haben, den Mehraufwand in die Verkaufspreise für unsere landwirtschaftlichen Produkte einzupreisen.

Ist es denn nicht so, dass innerhalb der EU die gleichen gesetzlichen Vorschriften gelten, was Umweltstandards betrifft?

Von Horsten: Nur ein paar Gesetze sind gleich. Aber Deutschland und die Niederlande sind ziemlich extrem. Wir haben ganz andere Auflagen als zum Beispiel die Spanier und Portugiesen. Die können die Milch locker 15 bis 20 Cent günstiger produzieren als wir hier in Deutschland. Da steckt häufig der Teufel im Detail.
Gerdts: Klar haben wir den EU-Binnenmarkt mit freiem Warenverkehr, der sicherlich auch ein Stück weit positiv für uns ist. Bei genauer Betrachtung gibt es aber eben zahlreiche Unterschiede, die im Wettbewerb den Ausschlag geben können und uns benachteiligen.

Was hat denn bei Ihnen den Ausschlag gegeben, sich mit den Kollegen zusammenzuschließen und gegen die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft zu protestieren?

Von Horsten: Das ist ganz einfach. Unser Geld geht langsam zu Ende. Die Höfe bluten aus. Wir fürchten um unsere Existenz. Das fing schon vor Corona an. Durch Exportverbote ist der Weltmarktpreis für landwirtschaftliche Produkte zusätzlich eingebrochen. Außerdem haben wir mit der neuen Düngeverordnung vom April 2019 noch mehr Auflagen aufgebrummt bekommen.
Gerdts: Wir Landwirte sind Teil der Gesellschaft und tragen selbstverständlich auch Verantwortung für die Gewässer. Am Ende des Tages sind wir aber nur ein Teil. Die Verordnung ist in Niedersachsen methodisch und fachlich mangelhaft ausgearbeitet und umgesetzt. Wir Landwirte haben nichts gegen Gewässerschutz und eine Düngeverordnung.

Wo hakt es denn konkret aus Ihrer Sicht?

Gerdts: Zum einen sind bei der Düngeverordnung veraltete Zahlen zugrunde gelegt worden, die die bereits erreichten Reduktionen von Düngemitteleinsatz noch gar nicht widerspiegeln. Die Daten sind 10 bis 15 Jahre alt. Und: Deutschland hat nur die 10 Prozent der schlechtesten Brunnen nach Brüssel gemeldet. Die anderen Länder haben aber den Durchschnitt aller Brunnen gemeldet. Das passt nicht zusammen.

Dennoch muss doch auch Ihr Ziel sein, die Nitratbelastung der Gewässer zu reduzieren.

Selbstverständlich, seit der letzten Düngeverordnung von 2017 setzt die Landwirtschaft bereits deutlich weniger Kunstdünger ein und die Gülle wird punktgenauer aufgebracht. Das ist wesentlich. In den „roten Gebieten“ wird zusätzlich die Nährstofffracht um 20 Prozent reduziert. Wogegen wir uns wehren ist, dass Landwirte, die eine ordnungsgemäße Landwirtschaft betreiben, in Sippenhaft genommen werden. Das ist nicht in Ordnung. Die schwarzen Schafen müssen natürlich zur Verantwortung gezogen werden. Wir fordern daher eine faire Beurteilung auch gegenüber anderen Eintragsquellen, wozu auch Kläranlagen gehören.
Von Horsten: Von den Betrieben mit denen ich zu tun habe, verklappt keiner Gülle. Denn das ist ja Wirtschaftsdünger, den wir möglichst effektiv einsetzen wollen, weil man dadurch den teuren mineralischen Dünger einspart. Außerdem bringen wir die Gülle bereits seit Jahren bodennah aus, was ab 2025 verpflichtend wird. Bei uns setzen bereits 70 Prozent der Landwirte dieses Verfahren ein.

Wenn nicht genügend Fläche für die Gülle zur Verfügung steht, müsste doch die Zahl der Kühe verkleinert werden. Was steht dem denn entgegen?

Von Horsten: Wir würden ja gerne 30 Prozent weniger Tiere halten. Dann hätten wir auch weniger Arbeit. Wenn die Erzeugerpreise jedoch so gering bleiben wie derzeit und Produkte aus dem Ausland den Markt überschwemmen, geraten wir zunehmend unter Druck.

Wie ist denn das Verhältnis Import und Export?

Von Horsten: Wir importieren mehr Milch, als wir exportieren.
Gerdts: Über alle Produkte gesehen ist Deutschland Importeur von landwirtschaftlichen Produkten. Was in Deutschland zu viel produziert wird, ist lediglich Schweinefleisch. Obst und Gemüse werden dagegen zu 70 Prozent importiert, Eier zu 30 Prozent. Auch Milch wird mehr importiert als exportiert. Der Gesamtversorgungsgrad soll in Summe bei 85 Prozent liegen.

Kommen wir einmal auf das Thema Preise und Subventionen zu sprechen. Könnte die Landwirtschaft ohne Subventionen überleben?

Von Horsten: Ja, aber nur wenn die Preise für Lebensmittel deutlich steigen würden. Die Subventionen dienen am Ende nur dazu, dass der Verbraucher günstig einkaufen kann. Wir hätten es lieber, mehr Geld für unsere Produkte als Subventionen aus Brüssel zu bekommen. So hat uns aber die Politik in Hand, denn bei Fehlern bekommt der Betrieb Abzüge bei den Subventionen.

Wie sähe es denn ohne die Agrarsubventionen mit der deutschen Landwirtschaft aus?

Von Horsten: Wenn die Subventionen aus Brüssel nicht wären, hätten wir wohl nur noch fünf bis zehn Prozent der Landwirte, die wir heute haben.

Nun haben Sie eine Diskussion angeschoben über die Frage, wie soll die Landwirtschaft der Zukunft aussehen. Was ist dabei Ihr Ziel?

Gerdts: Ja, genau um diese Fragestellung geht es uns. Dazu wollen wir eine gesellschaftliche Diskussion anstoßen und möglichst viele mit nehmen. Wir brauchen eine Diskussion über die Fragen, welche Landwirtschaft wollen wir haben, wie wollen wir uns ernähren, wo sollen unsere Lebensmittel herkommen und wie viel ist der Verbraucher bereit, für gute Lebensmittel zu bezahlen? Außerdem werden wir diese Fragen vor dem Hintergrund der Klimaproblematik diskutieren müssen.

Da sind wir bei den Stichworten „heimische Landwirtschaft“ und „Regionalität“. Was verstehen Sie darunter?

Gerdts: Wir sollten uns nicht zu sehr abhängig machen von Lebensmittelimporten. Gerade die Grenzschließungen in der Coronazeit haben deutlich gemacht, wie verwundbar die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung dadurch ist. Von der Politik wünschen wir uns eine bessere Etikettierung im Sinne eines verpflichtenden Herkunftsnachweises für Lebensmittel. Damit der Kunde die Chance hat, gute Produkte auch aus konventioneller deutscher Landwirtschaft zu erkennen. Da haben wir die letzten 20 Jahren geschlafen.

Sehen Sie Nachholbedarf bei der Öffentlichkeitsarbeit?

Gerdts: Ja, auf jeden Fall. Seit dem Wegfall der CMA (Zentrales Marketing) ist die deutsche Landwirtschaft sehr ins Hintertreffen geraten.
Von Horsten: Wir haben es viel mit Augenwischerei zu tun, wenn zum Beispiel große deutsche Molkereien Milch aus Polen einkaufen und die Milch unter deutschem Etikett verkaufen. Das Label „Lebensmittel aus Deutschland“ darf nur vergeben werden, wenn zum Beispiel die Milch auch wirklich in Deutschland und unter deutschen Qualitäts- und Umweltstandards produziert wurde.
Gerdts: Das muss natürlich auch für die Eigenmarken der Einzelhandelsketten wie „Gut und günstig“ gelten. Dort steht in der Regel nur drauf, wo das Produkt verpackt wurde. Das reicht nicht. Jeder Verbraucher muss sofort erkennen können, wo und wie das Lebensmittel produziert wurde.

Wie sieht es mit der Direktvermarktung aus?

Gerdts: Vielleicht haben wir Landwirte mit der Nähe zu Cuxhaven das eine oder andere ungenutzte Potenzial, aber die Direktvermarktung wird immer nur eine Nische sein.

Gibt das Internet Möglichkeiten der besseren Vermarktung?

Gerdts: Das ist eine interessante Sache, die derzeit sicher einigen Zulauf hat. Das wird für den einen oder anderen Landwirt eine zusätzliche Alternative sein. Am Ende wird das aber auch nur eine Nische bleiben.

Was sind ihre nächsten Ziele?

Die Kennzeichnungspflicht auf der einen Seite. Dann soll es eine Schlichtungsstelle geben als Vermittler zwischen Erzeuger, Verarbeiter und Einzelhandel. Am Ende brauchen wir möglicherweise einen Deutschland-Bonus.

Erschienen am 06. Februar 2021 in der Cuxhavener Nachrichten.
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